GERTRUDE

Jan Erbelding

Wenn wir tot sind dann wohnen wir in den Bäuchen großer Tiere und werden von denen durch die Gegend getragen. Durch Täler, vielleicht für immer blühende oder Täler eines ewigen, durch und durch rot-gelblich gefärbten Herbstes, der nie den Winter erreichen wird. Ewig begonnener doch nie vollumfänglich werdender Zerfall.

Oder halt blühende Täler wie gesagt. Vielleicht lieber sowas. Dort wohnst du in den Bäuchen großer Tiere, sanft getragen auf vier Beinen. Sinn und Zweck bleiben gänzlich unbekannt. Mit dem Zupacken des Todes sind die beiden sofort auf und davon. Es ist warm im Inneren der großen Tiere und deine eigene Wärme wird wieder reflektiert von der Wärme der Tiere als wärmere Wärme zurück. Du liegst wie ein kleines Gespenst, halbtransparent, bequem. Es umgibt dich eine schöne Flüssigkeit, aber du kannst sie atmen. Vielleicht ist die Flüssigkeit wie Luft und nicht flüssig. Erklärungen gehören der Vergangenheit an. Vieles ändert sich kontinuierlich unergründlich dort, wo dich die großen Tiere über blühende Wiesen tragen und es ist damit nicht ganz so arg unterschieden, von wo wir hier grade sind. Was ist los? Der Wams der Tiere, die dich tragen ist durchsichtig wie die Tüte mit den Croissants, wenn du sie endlich von der Bäckerei bis nach Hause getragen hast.

Es schaukelt leicht, das was vielleicht keine Flüssigkeit ist dämpft um dich alles schummrig, müde gelblich. Von außen durch die Nüstern steigen die verblühten weißen Schirmchen der Löwenzähne in den Bauch zu dir hinein, es beginnt nach trockener Wiese zu riechen, du kennst das noch von damals, von vor dem Tod. Das Tier trägt dich, aber es gibt keine Aktion deinerseits, muss es nicht, gibt es nicht mehr. Du reitest nicht, du dirigierst oder leitest nicht, dressierst nicht, bestimmst nicht, du gehst nicht auf es zu, nicht von ihm weg, streichelst nicht, fütterst nicht, fühlst nicht, es frisst dich nicht, es ist da das Tier, um dich rum, du in ihm drin, es ist abstrakter und großzügiger als du es jemals warst, bist unwichtig eigentlich, nur ein verblühter Genuss der dir von außen noch gegönnt ist, sonst bleibst du ohne Handlung, ihr, zwei Parallelen, Linien, geometrische, nur in der Darstellbarkeit begrenzt, sonst unendlich fahrend durch den Raum, ein mathematischer vielleicht oder nicht, endlos dann und trotz Nähe und potenzierter Wärme eurer beider Körper, berührt ihr euch doch nie.

Das haben sich die Tiere nach allem so gewünscht.