Die Recherche SPEAK NO HARM befragt das Verhältnis von Sprache und Macht in postkolonialen und migrantischen Kontexten. In der Recherche untersuchen die englischsprachige, kenianische Autorin Ursula Gisemba, die deutschsprachige Autorin Theresa Seraphin sowie der deutsch-serbische Autor Denijen Pauljević die Einschreibung kolonialer und diskriminierender Kontinuitäten im der Literarischen Beschreibung des „Anderen“. Hierbei geht es um die Reflexion struktureller Machtverhältnisse, Produktions- und Marktmechanismen sowie die schwierige Stellung von Mehrsprachigkeit und nicht-deutschsprachiger, (post)migrantischer Literatur in Deutschland. Die Recherche ist die Vorbereitung zu der gemeinsamen Produktion LAND OF TROPES (AT). Seraphin, Pauljević und Gisemba haben sich 2023 in München im Rahmen des Writers in Residence Programms des SPIELART Theaterfestival kennengelernt. Hier fand mit der szenischen Lesung FIGURES OF POWER eine erste Zusammenarbeit zwischen Gisemba und dem NMT statt.
„English is my mother tongue. The queen is my mother.“ sagt Ursula Gisemba mit einem schmerzlichen Augenzwinkern im Hinblick auf die Dominanz der Sprache der ehemaligen Kolonialherren in Kenia; ein bis heute gewaltvolles Verhältnis, das Englisch einerseits zur kenianischen Amtssprache macht, Kenianer*innen ein Studium in UK jedoch nur mit Sprachtest gewährt. Auch im literarischen Schaffen Kenias setzt sich die kulturelle Unterdrückung nicht-kolonialer Sprachen fort. So schreiben ein Großteil der Autor*innen nicht auf Swahili, der zweiten Amtssprache des Landes, oder gar in ihren ‚Mother Tongues‘. Für ein breiteres Verständnis, auf Grund von fehlenden Studien zu den eigenen Mother Tongues, und auch um dem eigenen Arbeiten eine größere Sichtbarkeit zu ermöglichen, bleibt Englisch die Literatursprache Nummer Eins. Die sprachliche Vielfalt Kenias, mit seinen über 47 Sprachen wird so künstlerisch bis heute nicht abgebildet. Theresa Seraphin steht als deutschsprachige Autorin, die versucht über Kenia zu schreiben unweigerlich in einer von Rassismus und Xenophobie geprägten Tradition des kolonialen Reiseberichts oder des (nicht weniger rassistischen) white girls travelers blog. Diese zu dekonstruieren, offenzulegen und dabei den eigenen Blick stets zu befragen, ist ihre Aufgabe. Denijen Pauljević hat selbst eine mehrsprachige Autorenbiographie. Mit Serbokroatisch als Muttersprache hat er auf Deutsch begonnen, literarisch zu schreiben. Er sieht sich selbst,„mehr in der deutschen Sprache als in Deutschland zu Hause.“ Für die Recherche bezieht er erstmals auch das Serbokroatische in die Textarbeit ein.
Die Recherche wurde gefördert mit einer Prozessförderung des Verband Freie Darstellende Künste Bayern e.V.
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