INNUENDO

Jan Geiger

LEAS EINGANGSMONOLOG

LEA kommt auf die Bühne und begrüßt Freddie und das Publikum. Sie schaut sich um.

 

LEA
Für mich waren mein Opa Hans und Freddie Mercury lange Zeit ein und dieselbe Person. In meinem Kopf waren sie beide ineinander „gemerget“. Ich erinnere mich noch, dass meine Mutter mir von ihm erzählte und wahrscheinlich sprach sie von Freddie und ich von Opa und wir redeten aneinander vorbei und dann geschah es einfach, wie es in Kinderhirnen einfach so passiert.

Ich saß am Küchentisch und sie spülte ab und im Radio oder von der Hifi-Anlage spielte Queen und ich frage so: Wie war er denn so? Und meine meinen Opa, weil sein Bildl da an der Wand hängt – immernoch – denke ich.

Und sie sagt dann: Er war toll. Fantastisch. Ein großer Künstler. Niemand hatte eine Stimme wie er.

Und ich dann so: mhm.

Und Sie dann: Er war aber ganz schüchtern und zurückhaltend im echten Leben. Auf der Bühne große Oper.

Und ich so: was heißt denn große Oper?

Meine Mama. Na, du weißt schon, halt große Gefühle und Gesten und alles. So ganz dramatisch und mit ganz viel Herz. Und Oper mochte er ja auch total. Merkt man ja auch.

Ich so: Wieso?

Und Mama so, naja, weil er doch immer so viel gesungen hat und so exaltiert war. Und hör doch mal wie er singt, da ist ganz viel drin: der ganze Schmerz und das Leid und die Liebe, es ist alles da.

Und ich höre Freddie und denke an meine Opa und frage mich, was ihm so weh getan hat?

Mama, wieso denn Schmerz, was hat dem Opa denn weh getan?

Und weil Mama natürlich nicht richtig zuhört, weil sie gerade den Abwasch macht oder Kartoffeln schält oder was weiß ich, merkt sie nicht, dass ich von Opa rede und sagt sowas wie: Weil man manchmal im Leben eben unglücklich ist, vor allem wegen der Liebe, wenn man unglücklich verliebt ist. Oder weil man krank ist. Er war ja auch ganz krank am Schluss.

Welcher Schluss?

Na, bevor er gestorben ist.

So wie Bauchschmerzen?, frage ich.

Und Mama dreht sich zu mir und macht so eine Geste, wie Mama sie immer macht, und wirft das Geschirrtuch oder den Kartoffelschäler hin. Und sagt: Schön wär’s, aber ich glaube das tut ein bisschen mehr weh, wenn man stirbt, weißt du?

Und dann summt sie wieder mit.

Und ich habe mir den Opa angesehen auf seinem Foto und mir vorgestellt, wie er ziemlich dolle Bauchschmerzen hat, also so richtig, schlimmer als meine schlimmsten Bauchschmerzen. Und das dann die ganze Zeit.

Ich weiß, ich war dort, am Sterbebett, man hat es mir erzählt, immer wieder war ich dort. Schließe ich fest die Augen sehe ich es vor mir und doch weiß ich, dass es nur erzählt ist. Ich zermarter’ mir das Hirn, in meinem Kopf läuft immer Freddie  mit Innuendo, das Lied muss Innuendo sein, das Leid ist Innuendo.

Und ich frage mich, wann ich gemerkt habe, dass Freddie nicht mein Opa ist und ob ich tief drin immer noch das Gefühl habe, dass da mein Opa singt.

     

HANS’ UND THEO STEINS LIEBES ETÜDE I

 

Im Schützengraben. 1943

 

THEO
Wenn ich sterbe: nimm bitte mein Tagebuch und meine Uhr.
Bring sie nach Hause.

 

HANS
Du stirbst hier nicht.

 

THEO
Red nicht so n scheiß. Wahrscheinlich sterben wir beide. Alle anderen sind schon tot.

 

HANS
Du stirbst hier nicht.

 

THEO
Bist du schon im Delirium?

 

HANS
Nein. Aber du darfst nicht sterben.

 

THEO
Was täte ich ohne dich an meiner Seite.

 

HANS
Sterben

 

THEO
Du bist echt ne Hilfe.

 

HANS
Ich bin doch dein Glücksbringer, dein Talisman. Den ganzen Krieg schon durch.

 

THEO
Der Scheißkrieg.

 

HANS
Und du nimmst mein Tagebuch, wenn ich sterbe.

 

THEO
Du stirbst nicht!

 

HANS
Aber du?
Wo ist überhaupt mein Tagebuch?

 

[…]

 

KRIEG: TAGEBUCH UND TEXTE I

 

Mit Material von Chroniknet.de und wikipedia.de

 

LEA
Die Nazis waren gut darin, das Land auf den Krieg vorzubereiten: Alle waren auf Hass und Gewalt eingestellt. Das ganze Land ein einziger kochender Trog aus Blut und Hass. Oder rasende Gleichgültigkeit? Langeweile, Stumpfsinn, Trägheit, Hinterhältigkeit. Indifferenz und Ungerechtigkeit?

 

Tagebuch vom 12.10.1941

Ein Sonnabend, doch sonst ein Tag wie alle anderen gleichmäßigen Arbeitstage des Jahres.- beschäftigt in der Dunkelkammer ruft man mich von der Arbeit fort, um Post zu empfangen. “”Wollen Sie eben mal unterschreiben” gesagt, getan! “Auf wiedersehen” - Wie konnte der alte Herr Harder, der Briefbote nämlich, nur so ruhig bleiben; ja, nicht einmal anders, als wenn er mir sonst eine unbedeutende Ansichtskarte von irgendwoher überreichte. Ja, wusste er denn dieser Mensch gar nicht, das er mir das Schreiben brachte, auf das ich schon seit Wochen mit Fieber gewartet habe?!”

 

 

Ein britischer Bomber wirft über dem Dorf Buhwil im Schweizer Kanton Thurgau mehrere Bomben ab; zum wiederholten Mal ist Schweizer Territorium von Bombenabwürfen betroffen, obwohl das Land nicht zu den kriegführenden Staaten gehört.

In Königsberg wird die Ostmesse eröffnet, die als Symbol für die wirtschaftliche Bedeutung der besetzten Ostgebiete bezeichnet wird.

 

Tagebuch vom 02.11.1941

“Gefallen im Osten, im heroischen Freiheitskampf unserer Nation”

 

Nachrichten

Heinrich Himmler, fordert die Polizeibehörden in einem Rund-Erlass auf, Verstöße und Nachlässigkeiten im Umgang mit Autoreifen, deren Beschaffung den zuständigen deutschen Stellen ernste Schwierigkeiten bereitet, schärfstens zu ahnden.

Im Endspiel um den deutschen Fußballpokal (Tschammerpokal) besiegt Titelverteidiger Dresdner SC den Gelsenkirchener Verein FC Schalke 04 in Berlin 2:1.

 

Tagebuch vom 02.11.1941

Und unsere Mutter, Sie wurde härter als das Schicksal. Mutter ich danke dir dafür!

 

LEA
Hier stirbt also sein Bruder. Und was fällt ihm dazu ein? Mutter, ich danke dir dafür?!

 

[…]