DER GEIST DER FRAU KAZUMORO

Barbara Maria Messner 

Niemand wusste wie alt sie wirklich war.  Manchmal wirkte sie wie ein junges Mädchen, manchmal wie eine sehr alte Frau. Ganz zu schweigen von ihrem Doppelleben als jungenhafter Pianist. Frau Kazumoro war keine Schönheit, war auch nicht besonders auffallend. Aber sie hatte diese Liebe für die Musik.

Frau Kazumoro hatte eine Rente, sie war mit einem deutschen Mann, der Ingenieur in Japan gewesen war, verheiratet. Aber der Mann war sehr bald gestorben und so bekam Frau Kazumoro jeden Monat Geld, das aber nicht zum Leben reichte.

Frau Kazumoro redete nicht viel, aber sah viel. Zum Beispiel dass das Fräulein Susanne aus dem 1. Stock und der Postbote immer so viel zusammen lachten und der Postbote schien auch heimlich die Postkarten für das Fräulein Susanne zu lesen und manchmal sogar gemeinsam mit ihr. Frau Kazumoro sagte nichts, aber wunderte sich.

Dann gab es da noch den Professor im Haus, der zwar freundlich grüßte und wenn er zu erzählen begann sehr viel über Kunst und Geschichte zu wissen schien, aber immer so schnell wie möglich in seiner Wohnung verschwand und nie jemandem die Tür öffnete.

Oder die immer etwas unzufrieden wirkende Vermieterin Frau Fessler, die das Haus geerbt hatte und beständig mit der Verwaltung überfordert schien und sich dann ab und an bunt und wild anzog und zum kubanischen Tanzkurs ging.

Mit 40 Jahren begann Frau Kazumoro Klavier zu spielen und übte ständig. Sie war sehr fleißig und lernte sehr gut. Ab da hörte man jeden Tag die Musik von Frau Kazumoro im Haus. Die Vorlieben änderten sich, von Ragtime und Blues zu Beethoven und Chopin.

Sie spielte alles. Schlug in die Tasten, dann wieder glitten ihre Finger blitzschnell übers Klavier, Trommelfeuerwerke von Triolen blitzten auf, um sich in romantischen Melodien zu verlieren, die durch das ganze Haus zu schweben schienen. Anfangs kam es oft vor, dass die Bewohner des Hauses gegen die Decke oder Wände klopften oder auf den Boden stampften, wenn Frau Kazumoro ihr Klavier allzu leidenschaftlich bearbeitete. Dann gab es wieder ganz zarte Musiken, die wie ein leichter Sommerwind durchs Haus glitten, sich durch alle Ritzen und Poren des Hauses schlichen in die Ohren und Herzen der Bewohner hinein.

Frau Kazumoro war auf ihre Art sehr präsent im Haus mit der Nr.7.

Textauszug aus dem Theatertext/Hörspiel DER GEIST DER FRAU KAZUMORO

Premiere als Live-Hörspiel am 17. März 2017 bei Ars Musica im Stemmerhof, München;