Wüstling
Raphaela Bardutzky
Teil I – Don Juan
Chor der Geliebten:
[...]
Er [Don Juan] baut dir einen Origami-Zirkus aus der Speisekarte von Sushi yam yam und klaut dir bei einer Gartenschau Margeriten und Anemonen. Im Kino zaubert er Popcorn aus deinem Ohr und findet – hoppalla – Weißwein in seinem Ärmel. Er ruft am Freitagmorgen an, ob du nicht heute, kurzentschlossen, ganz spontan, mit ihm verreisen willst, zum Gardasee, nach Stockholm oder Ljubljana. Er fragt, was du als Kind am liebsten aßt, um es zwei Tage später zu servieren – Und wo wir schon beim Schnabulieren sind: Als Nachtisch gibt es Fußmassage - wenn du magst -, ein heißes Bad oder wir gehen einfach nur spazieren.
Ihr rennt zu zweit durch warmen Sommerregen und brecht nachts in ein Erdbeerfeld ein.
Wie gut es tut, mit ihm zu reden, so zwischen Stroh und Obst und Grillenzirpen, du atmest Weißdorn, Mainacht – ach Leben! Ein Fuchs schaut vorbei...
und er sagt, er denke zu viel an dich, seit ein paar Wochen...
Und als du am Sonntag mit ihm durch die Stadt flanierst, spielt jeder Straßenmusiker nur Liebeslieder für dich. Denn Don Juan hat sie alle bestochen und für jede Ecke bestimmte Titel bestellt.
Don't you know Girl, you'll be a woman soon / Please come take my hand / Girl, you'll be a woman soon / Soon, you'll need a man
An der Ampel vor deinem Büro klebt jetzt öfters ein altes Gedicht, du kennst die Schrift, es ist ein Gruß an dich, und nur für dich: An jenem Tag im blauen Mond September / Still unter einem Pflaumenbaum / Da hielt ich sie, die stille bleiche Liebe / dir kommt es vor, als wärs ein Traum. / Und über uns im schönsten Sommerhimmel / War eine Wolke, die ich lange sah / Sie war sehr weiß und ungeheuer oben
und deine Ruh´ war nimmer da,
denn hast du nicht gesehen, macht sich jetzt mehr und mehr Verwirrung breit,
die Wolke zieht jetzt durch dein Hirn und regnet sich an deinen Beinen ab,
dir ist die Gegenwart verstellt,
Gespräche fantasierend tapst du durch den Tag,
du willst ihm alles sagen, alles zeigen, die klitzekleinsten Wunder deiner Welt,
du brichst im Supermarkt in Tränen aus, vergessen wer du bist und was du willst,
ein schlechter Schlager rührte dich ins Mark, bist nicht mehr ganz gescheit.
Es ist ein Glück und eine Bangigkeit, was soll dir bloß geschehen?
Ist längst geschehen.
Dein Herz klopft trotz des Klopf-Verbots aus deinem Kopf, du wirkst nervös
„Sie wirken nervös in der Gegenwart von Männern...Ich bin nur bei dir nervös, Grey: „Sie schüchtern mich ein.“ Ich werde tiefrot, klopfe mir aber innerlich wegen meiner Offenheit auf den Rücken.
Und als du dich fragst, weshalb in deinem Hausflur plötzlich ein Helium-Schwein schwebt,
wer den Jasmin vor deine Tür gelegt hat,
wieso in dem verhassten Meeting plötzlich der Feuerfehlalarm schellte,
wer dir heut Mittag das Curry bestellte,
DON GIOVANNI!!!!
Da stellst du ihn wütend zur Rede, was soll das denn, du weißt ich bin vergeben...
jetzt lächelt er, so jungenhaft und leicht verlegen,
sein gewohnt atemberaubendes Lächeln,
dieses lässige sexy Lächeln auf seinem Gesicht,
ein triumphierendes Lächeln,
mitunter: ein wölfisches Grinsen
und sagt:
Là ci darem la mano, là mi dirai di sì. Vedi, non è lontano, Partiam, ben mio, da qui. (Vorrei e non vorrei, Mi trema un poco il cor. Felice, è ver, sarei, Ma può burlarmi ancor.) Vieni, mio bel diletto! (Mi fa pietà Masetto.) Io cangierò tua sorte. Presto... non son più forte, non son piu forte.
Und da ist es um dich geschehen.
Gesteh es dir, du bist verloren.
Hast dich verloren.
Lange schon.
Schließt deine Augen, suchst seine Lippen, brennend, hungrig, erbebend, zitternd und schwebend,
dein Atem, sein Speichel, dein flehender Mund.
Kissing you, oooh / I'm kissing you, oooh / Touch me deep, pure and true, gift to me forever / 'cause I'm kissing you, oooh
Doch leider: Er bleibt nie mehr als eine Nacht,
nur manchmal zwei,
drei,
fünf
also fünf maximal,
dann ist er weg
und du stehst da wie hingestellt und nicht abgeholt. Wurdest halt abgeschleppt,
falsch geparkt, selber schuld. Betrunken bombardierst du ihn mit fahlen SMSen,
du schreibst ihm Briefe, die vor Pathos triefen,
versuchst ihn ganz rein zufällig zu treffen - sagst HalloFreutmich zur Begleiterin,
zerfetzt dich selbst in Selbstzweifelexzessen: war ich nicht gut genug für ihn, nicht schlau genug, zulautzustillzuzudünnzudickzudummzuungebildetwildzuwirrzulangweiligzukapriziöszufremdderWeltzueigenbrötlerisch,
es waren doch so liebe, süße Worte, so liebe, zarte Gesten
It must have been love but it's over now / It must have been good but I lost it somehow / It must have been love but it's over now / From the moment we touched till the time had run out
Und ja: Du weinst, du schniefst,
du hörst Adele in Endlosschleife
Doch leider haben wir - genau wie du - schon mal die Nacht mit ihm im Erdbeerfeld verbracht, mitsamt einer Luft aus Weißdorn und weißichnichtwas
und wir alle, wir alle hier, hörten die wortgleichen Reich-mir-die-Hand-mein-Leben-Anträge und ich-denke-zu-viel-an-dich-Blablablablabla und
wir alle, wir alle hier, haben mit ihm geschlafen.
Sie schreit,
sie heult,
sie reißt sich die Haare aus,
zerbeißt sich die Lippen,
rennt mit dem Schädel gegen die Wand,
kratzt sich die Wangen auf,
beißt sich die Nägel ab,
GLOTZT NICHT SO BLÖD!
versucht sich zu übergeben,
zerbeißt sich die Lippen,
und heult und schreit,
schreit,
Ah chi mi dice mai quel barabaro dov´e
schreit: WARUM.
Warum also?
Warum?
Wieso denn bloß? Wieso denn bloß?
[...]
Ich dachte nicht, dass es ein anderes Ende geben könnte, als einen Kuss und Happy End,
diese Geschichten gehen doch immer so aus, gehen sie nicht?
Ein paar kleinere Verwicklungen, Schwierigkeiten,
doch trotzdem wissen sie beide: es ist die EINE, die eine ganz große Liebe
sie wissen es beide, denn es ist eine überwältigende Offenbarung, die sich aufgrund ihrer Intensität selbst aufdrängt
GLOTZT NICHT SO BLÖD
[...]