TRUMP UND DAS GLÜCK

Michael Stadler

Versuch einer Einfühlung

Ich versuche, mir Donald Trump als glücklichen Menschen vorzustellen. Das fällt mir schwer, weil Trump schon arg viel Gegenwind bekommt. Er muss an dieser Kritik doch leiden! Das greift dich doch an, wenn eine halbe Millionen Frauen gegen dich marschiert. Das muss dich doch verletzen, wenn du in Saturday Night Live parodiert wirst. Du wirst von anderen als Narr bezeichnet, als Clown, mit einer „narzisstischen Persönlichkeitsstörung wie aus dem Lehrbuch.“ Wen würde so etwas kalt lassen?

Ich versuche, mir vorzustellen, wie Trumps Privatleben aussieht. Wie er Melania kennengelernt hat. Zwischen den beiden muss doch irgendwann ein Funke übergesprungen sein! Es gab sicherlich romantische Momente. Aus reinem Pragmatismus bleibt niemand zusammen, oder? Melania sagte in einem Interview: "Man kann es nicht aushalten mit einer Person, die man nicht liebt. Man kann kein Flugzeug umarmen." Das glaube ich auch. Außerdem ist von Gemeinsamkeiten zu lesen: Beide rauchen nicht, trinken keinen Alkohol und lieben Luciano Pavarotti. Jaja, das klingt schon wieder so, als ob man sich darüber lustig machen könnte. Aber vielleicht haben die beiden sich einfach gerne.

Ich versuche mir, einen Abend bei den Trumps vorzustellen. Mir geht es gar nicht darum, wo sie sich da befinden, welchen Luxus sie um sich haben. Vielleicht ist Donald einfach müde an diesem Abend.

Du bist müde von den Schmähungen, vom ständigen Beobachtet-Werden, von deiner Rolle. Melanie kommt zu dir, sie küsst dich, sie schmiegt sich an dich, sie erzählt von ihrem Tag. Du erzählst von deinem Tag und dann lauscht ihr gemeinsam zu den Klängen eine Pavarotti-CD  (auf der Soundspur: „Nessun dorma“ von Pavarotti, die Musik bleibt über dem Rest der Szene). Ihr legt euch ins Bett, vielleicht schlaft ihr miteinander, vielleicht seid ihr zu müde dazu, und vielleicht kannst du nicht einschlafen, weil dir viel zu viel im Kopf herumgeht. Melania bekommt deine Unruhe mit. „Was ist mit dir, Schatz?“, fragt sie leise in die Dunkelheit hinein. Du schüttest ihr dein Herz aus. Oder sagst „Ach nichts“, weil du sie nicht auch noch belasten willst.

Am nächsten Morgen wird es weitergehen. Wie für uns alle.

Ich versuche mir vorzustellen, wie es ist, Donald Trump zu sein. Aber dann, bald, will ich es mir nicht mehr vorstellen. Weil dieser Typ gefährlich ist, oder nicht? Obwohl: Ich bin ja auch gefährlich. Nur bin ich leider weit davon entfernt, ein Präsident zu sein. Eigentlich schade.

Textauszüge aus dem Theatertext 100 TAGE GREAT AGAIN

UA am 29.04.2017 im Pathos Theater München