MÜNCHNER SCHICHTEN
Folge 4: Existenzgründung
Raphaela Bardutzky
KRAMPUS: Servus.
PARKA: Du...
KRAMPUS: wegen der Beratung...zur Gründung. Der Existenz.
PARKA: Perfekt. Dann vereinbaren wir mal einen Termin
KRAMPUS: Haben wir längst.
PARKA: Ah so. Wie ist denn Dein Name?
KRAMPUS: Krampus.
PARKA: Alles klar. Ich bin der Parka. Eigentlich Matthias, sag ruhig Parka, das machen alle. Alter Spitzname. Hing in den Achtzigern einfach zu viel im Parkcafé ab. Aber egal: Was kann ich für Dich tun, Krampus? Business-Baby-Paket? Culture-Hacking-Beratung? Agiles Mindset aufbauen?
KRAMPUS zieht einige Arbeitsamtformulare hervor.
KRAMPUS: Muss in die Selbstständigkeit. Mach den Antrag auf Gründungszuschuss beim Arbeitsamt. Brauch dazu diese Stellungnahme zur Tragfähigkeit. Der fachkundigen Stelle.
PARKA: Da bist Du natürlich goldrichtig bei mir. Ich bin Diplom-Volkswirt, als fachkundig akkreditiert und darf dir dass somit ausstellen. Hilfestellung beim Businessplan gibt’s bei mir für 499 Euronen, die Stellungnahme – sollte mich dein Unternehmen überzeugen – schreib ich Dir für 300 oben drauf. Das ist deine erste Investition sozusagen! Alles voll absetzbar.
Krampus brummt. Parka wertet es als Zustimmung.
PARKA: ich such nur schnell den Fragebogen, Moment.
Parka kramt in seiner Ablage herum, zieht schließlich einen Zettel hervor.
PARKA:
Perfekt. Dann wollen wir mal. Also, im Business-Baby-Paket erarbeiten wir gemeinsam den Businessplan, dafür sind 3 Beratungen à 90 Minuten enthalten; Uhr tickt ab jetzt. Und du darfst mir auch gleich dein Projekt pitchen, aber zuvor brauch ich noch Infos zum aktuellen Beschäftigungsverhältnis. Du bist freischaffend, arbeitslos,
KRAMPUS:
Angestellt.
PARKA:
Knechtschaft also. Schon mal Hegel gelesen? Sehr zu empfehlen. Und dein Arbeitgeber ist wer?
KRAMPUS:
Nikolaus.
Parka notiert Krampus Antwort im Fragebogen.
PARKA:
Nikolaus.
KRAMPUS:
Scheißjob. Gibt kein Geld. Mindestlohn.
PARKA:
Und jetzt? Kündigung?
KRAMPUS:
Das ist der Plan. Voll der Hohn mit der Heiligkeit. Wer hat, dem wird gegeben, wer nicht hat, dem wird genommen. Fragst du Matthäus. In Wahrheit ist das reinste neoliberale Arschigkeit. Sündigen nein, Ausbeutung ja. Werd mir kündigen lassen. Weil ich hasse
PARKA:
Da grätsche ich gleich mal rein, mit einer kleinen Provokation meinerseits: Wieso sollte der Nikolaus dir denn kündigen wollen?
KRAMPUS:
Werd außer für Selfies doch kaum mehr gebucht. Eltern verziehen die Kids. Bring jedem Kackfratz die XboxOneX, statt ihm eine reinzupaniern. Haun und schlagen ist abgeschafft, stattdessen gibt’s iphones vom Nikolaus. Plus Puppenwagen, Kettcar, Playmobil, Brettspiel, Trampolin für den Garten. Ich bin der Depp, der das schleppt. Anpacken kennen die Heerscharen nicht. „Als Engelein ist meine Zuständigkeit lediglich Geschenkübergabe und Abschlussgedicht.“ Letztes Jahr dann Bandscheibenvorfall, daraufhin vor Schmerzen der Wutanfall, da hab ich einem Krawallkind seine Blockflöte mal ins Arschloch gepflockt. Mach ich nochmal, dann schmeißt mich der Nikolaus sicherlich raus. Der scheißt sich da nichts.
PARKA:
Saubere Kündigung, sauberer Neustart, sage ich immer. Für den Gründungszuschuss der Arbeitsagentur musst du dich mindestens einen Tag arbeitslos melden, da ist eine ordentliche Kündigung absolut hilfreich.Jetzt aber, zur Sache, Krampus: Mach mal einen One-Minute-Pitch.
Krampus glotzt verständnislos.
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Textauszüge aus dem Theatertext Freizeit 81’
Premiere 25.1.2019 im Rahmen der Theaterserie Münchner Schichten